Auszug aus den Supporter News | Ausgabe 221


An kaum einem Fußballfan dürfte vorbeigegangen sein, dass sich seit der letzten Saison deutschlandweit die Protestaktionen gegen den DFB und die DFL häufen. Waren es in der vergangenen Spielrunde größtenteils „nur“ Spruchbandaktionen, so intensivierten sich die Proteste seitdem immens. Wie in allen deutschen Fußballstadien wurde in der englischen Woche auch bei unserem Auswärtsspiel in München 20 Minuten auf die organisierte Unterstützung – den größten Trumpf von uns Fans – verzichtet. Auch heute wird es wieder einen Aktionsspieltag geben. Um einen tieferen Einblick in die Hintergründe der Proteste zu bekommen, stellten wir Denis von der Legio Augusta sechs Fragen zu diesem Thema.

Hier geht's zum Interview...

Frage 1: Warum ist (gerade jetzt) eine Veränderung nötig?
Die Entwicklungen im modernen Fußball und die Entfernung von seiner Basis sind ein schleichender Prozess. Bereits 1993 fand das erste Montagsspiel in der zweiten Liga statt, knapp 25 Jahre später stehen nun auch 5 Partien am Montag im Terminkalender des deutschen Fußballoberhauses. 1967 lief mit Wormatia Worms erstmals eine Mannschaft mit Trikotwerbung auf. Während dies damals von DFB mit der Begründung, dass “das Tragen von Firmennamen, von Firmenzeichen und Werbeaufschriften auf der Spiel- und Trainingskleidung nicht zulässig sei und im Interesse der Aufrechterhaltung der sportlichen Ordnung und des Ansehens des Fußballsports verboten werden müsse“, war es 2009 der Nordostdeutsche Regionalverband eben jenes DFB, der mit RB Leipzig, einem rein zu Werbezwecken gegründeten Fußballclub, die Spielerlaubnis erteilte. Warum gerade jetzt eine Änderung nötig ist, kann man also nicht an einem bestimmten Punkt festmachen. Tatsache ist, dass Veränderungen schon viel früher hätten stattfinden müssen. Jeder Zeitpunkt ist der richtige Zeitpunkt um ein Zeichen zu setzen. Je früher desto besser. Ein Zeichen setzen für einen Fußball, der sich auf seine Basis, uns – die Fans im Stadion – konzentrieren sollte, anstatt zu schauen, wie man das „Produkt Bundesliga“ am Besten in China vermarktet.

Frage 2: Wer oder was sind die Fanszenen Deutschlands? Was ist das Ziel?
Die Fanszenen Deutschlands sind ein Bündnis aus über 50 Fanszenen von der ersten bis zur fünften Liga. Allein die Tatsache, dass eine so große Anzahl an Szenen sich zusammenschließt, ist bemerkenswert und zeigt wie gravierend die Lage ist. Das Ziel ist es, ein Umdenken und eine Umstrukturierung bei den „Offiziellen“, also den Verbänden und Funktionären, zu erreichen. Der Fußball muss zurück zu seiner Funktion als Volkssport und weg vom Dasein als Geldmaschinerie für ein paar Wenige. Dies ist ein großes Ziel, das in Anbetracht der Entwicklungen sicherlich ein Stück weit utopisch klingen mag. Dahinter stecken jedoch eine Menge klarer Forderungen, die alles andere als abwegig und unrealistisch sind. Dass der DFB nach gemeinsamen Gesprächen und leeren Versprechungen keinen Einzigen dieser Punkte tatsächlich umgesetzt hat, zeigt deutlich, wie die Meinung von uns und Gesprächen mit uns Fans dem Verband denn wert sind.

Frage 3: Welche Veränderungen fordert ihr konkret?
Die konkreten Forderungen lassen sich in fünf Kategorien einteilen, die jeweils in einem Positionspapier niedergeschrieben wurden. Diese sind für Jeden auf original1907.de einsehbar. Deswegen möchte ich nur grob auf die einzelnen Themen eingehen. Der erste Punkt „Fanrechte“ beschäftigt sich mit dem Alltag eines jeden Stadiongängers: Was darf man mit ins Stadion nehmen? Wieso darf ich an Standort X meine Fahne nicht mit ins Stadion nehmen, weil der Stock 10 cm zu lang ist, während es an Standort Y kein Problem darstellt? Hierzu hat der DFB eine „Empfehlung“ an die Bundesligisten herausgeschickt, dass grundsätzlich sämtliche Fanutensilien mit ins Stadion genommen werden dürfen. In der Praxis hat sich hier allerdings nichts verändert, da das nach wie vor jeder Standort für sich selbst entscheidet, ob er diese „Empfehlung“ umsetzt. Punkt zwei: „Sportgerichtsbarkeit“. Hier ist vor allem die Ungleichheit und Intransparenz des DFB als Kläger und Richter zugleich ein Dorn im Auge. Vor allem die Umlegung von Verbandsstrafen auf einzelne Fans ist ein absolutes No-Go. Zur Verfolgung von Straftaten gibt es in der Bundesrepublik ein ausgereiftes Gerichtssystem, das Strafen nach einem vorgegebenen Gesetz an Bürger ausspricht, die gegen eben jenes verstoßen. Der DFB jedoch nimmt sich heraus, seine Vereine für Fanvergehen zu bestrafen, ohne sich dabei an ein einheitliches „Gesetz“ zu halten. Scheinbar können nach Lust und Laune Strafen für „Schmähgesänge“ oder „Verunglimpfende Spruchbänder“ ausgesprochen werden, ohne dass diese tatsächlich strafrechtlich relevant sind, oder überhaupt aufgeführt wird, welches im konkreten Fall gemeint ist, wie es beispielsweise 2017 beim Spiel zwischen Borussia Dortmund und RB Leipzig geschehen ist. Der nächste Punkt sind Stadionverbote. Stadionverbote werden ausgesprochen, um „Ausschreitungen unfriedlicher Personen zu verhindern“, so der DFB. Es gibt festgeschriebene Richtlinien, die die einheitliche Behandlung von Stadionverboten gewährleisten sollen. Problematisch ist aber, dass der DFB (wieder mal) sein eigenes Rechtssystem schafft und nicht beweisen muss, dass die betroffene Person die ihm zur Lasten gelegten Strafe tatsächlich auch begangen hat. Ein solches Stadionverbot „auf Verdacht“ lehnen wir gänzlich ab. Stattdessen fordern wir ein Anhörungsrecht für Beschuldigte und eine klare Linie, was sanktioniert wird und was nicht. Aktuell für uns sind besonders die letzten beiden Punkte „Anstoßzeiten“ und „Kommerzialisierung“, hier insbesondere die Einhaltung der 50+1-Regel, enorm wichtig, weshalb wir uns in nächster Zeit stärker darauf fokussieren möchten.

Frage 4: Warum ist das Thema „Anstoßzeiten“ so wichtig?
Speziell für uns in Augsburg, aber auch generell, ist das Thema Anstoßzeiten momentan ein Thema von hoher Bedeutung. Im aktuell laufenden TV-Rechte-Vertrag der Bundesliga sind die zur letzten Saison eingeführten Montagsspiele für die nächsten fünf Jahre festgelegt. Nachdem der DFB nach zahlreichen Protesten noch letzte Saison zusicherte, dass nach dem Ablauf dieser Periode keine weiteren Montagsspiele eingeführt werden, wurden in dieser Saison Montagsspiele in der dritten Liga eingeführt. Auch steht topaktuell ein Spiel am Samstag um 20:30 Uhr in der zweiten Liga zur Debatte. Besser als der Montagstermin allemal, jedoch sieht der Plan nicht vor diesen zu ersetzen, sondern schlicht noch einen weiteren Spieltermin zur besseren Vermarktung in petto zu haben. Besonders für uns in Augsburg ist die Ansetzung der Spielterme ein ausgesprochen wichtiges Thema. Durch unsere Lage im Süden, quasi Norditalien, sind Anreisewege zu Auswärtsspielen, aber auch Spiele von Gastvereinen bei uns unter der Woche kaum zumutbar. Von den neun Begegnungen zwischen unserem FCA und Bayer Leverkusen fielen in den vergangenen fünf Jahren satte fünf Spiele auf einen Termin unter der Woche oder auf den Sonntagabend. Dass bei einer Strecke von etwa 570 km unter der Woche gleich zwei Urlaubsstage von Nöten sind, macht einen Stadionbesuch für viele Fans schlicht unmöglich. Auch bei unserem Gastspiel bei der Berliner Hertha im Dezember, das auf einen Dienstag oder Mittwoch terminiert wird, werden viele FCA-Fans nicht die Möglichkeit haben, ihre Mannschaft im Stadion zu unterstützen. Deshalb ist es unser Ziel, bei den Anstoßzeiten die Interessen der Fans in den Vordergrund zu stellen: Samstag 15:30 Uhr ist die einzig wahre Fußballzeit! Konkrete Forderungen, um die Terminierungen fanfreundlicher zu gestalten sind, wie schon erwähnt, dass keine weitere Zerstückelung der Spieltage erfolgt, wie in der zweiten Liga aktuell in Planung ist, sowie die Einhaltung der 300 km-Regel bei Spielen unter der Woche. Dies ist ein produktiver Lösungsansatz zur Vereinbarung von englischen Wochen und Faninteressen, der jedoch vom Verband nicht umgesetzt wird. Unser Ziel muss es vorerst vor allem im Hinblick auf die nächste TV-Rechte-Vergabe sein, dass der Spieltag nicht weiter zerstückelt wird!

Frage 5: Warum ist das Thema „Kommerzialisierung“ bzw. „50+1“ so wichtig?
Das Thema Kommerzialisierung ist enorm breit gefächert und im Fußball natürlich bereits fest verankert. Es reicht vom einfachen Sponsoring an einer Werbebande, bis hin zur kompletten Übernahme eines Vereins durch einen Investor. Aber auch immer weiter in die Höhe schießende Spielergehälter und Ablösesummen von 220 Millionen Euro für einen Fußballer gehören dazu. Um die Übernahme von Vereinen durch Investoren zu verhindern bzw. einzuschränken, existiert in den Regularien der DFL die 50+1-Regel. Diese besagt, dass bei ausgegliederten Vereinen, wie bei unserem FCA, der Verein, also die Mitglieder, trotzdem die Stimmhoheit haben. Dies ist für uns auch enorm wichtig, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Während der FCA nachhaltig wirtschaftet und versucht, mit einem vergleichsweise kleinen Budget in der Bundesliga auszukommen, könnten Vereine, bei denen sich Unternehmen/Investoren einkaufen, aus deutlich höheren finanziellen Mitteln schöpfen. Dies kann nicht im Sinne eines ausgeglichenen Wettbewerbs in der Bundesliga sein. Wohin das Einsteigen von Investoren, die dem Verein ihren Spielbetrieb diktieren wollen, führen kann, kann sich bei einem Blick nach München jeder zu Gemüte führen. Trotz des Scheichs Hasan Ismaik im Rücken, startete der unbeliebte Verein aus Giesing letzte Saison in der Regionalliga Bayern und tingelte über die Dorfplätze. Umso beunruhigender ist da der Blick nach Hannover. Hier will Präsident Martin Kind auf Biegen und Brechen die 50+1-Regel umgehen und den kompletten Verein Hannover 96 übernehmen. Nachdem sein erster Antrag darauf von DFL/DFB abgelehnt worden ist, drohte er mit rechtlichen Konsequenzen. Aktuell versucht Kind über Umwege die Regel zu umgehen. Dies ist aufs Äußerste zu kritisieren und muss schnellstmöglich unterbunden werden! Hier besteht akuter Handlungsbedarf, damit dies nicht durchgeht und weiteren Investoren die Türe geöffnet wird, unsere geliebten Fußballvereine zu bloßen Profitunternehmen umzuwandeln. Auch unser Präsident Klaus Hofmann sprach sich bei den letzten Mitgliederversammlungen stets für eine strikte Einhaltung der 50+1-Regel aus und auch Cheftrainer Manuel Baum äußerte vor zwei Wochen erst, dass „die Mitglieder und die Fans die Basis unseres Vereins sind“. Daran gilt es festzuhalten, in Augsburg und an allen anderen Standorten in Deutschland auch!

Frage 6: Was können wir in Augsburg konkret tun?
Das Wichtigste ist wie bei allem in der FCA-Familie: Es geht nur gemeinsam! Hier müssen wir alle an einem Strang ziehen und mit guten Vorbild voran gehen, um ein Umdenken zu bewirken. Es ist die Aufgabe eines jeden Einzelnen, sich mit den Themen auseinanderzusetzen, Vorgänge kritisch zu hinterfragen und andere Leute aufzuklären. Nur wenn die breite Masse hinter den Protesten steht, können wir etwas erreichen. Nur so ist es möglich den nötigen Druck gegenüber den Verbänden aufzubauen, um Veränderungen zu erreichen. Natürlich liegt es auch an der unserer Vereinsführung, die Interessen des Vereins, dessen Basis wir Fans sind, bei DFB und DFL zu vertreten. Natürlich kann auch gerne jedermann Vorschläge zu möglichen Aktionen und Anregungen bei uns anbringen.