Pünktlich zur im Dezember anstehenden Innenministerkonferenz (IMK) in Bremen
melden wir uns mit einer Stellungnahme. Wie ihr euch denken könnt: kein gutes
Zeichen. Doch was steht zur Debatte? Auf der vorletzten IMK im vergangenen Winter
wurden bereits Maßnahmen angedacht, die angeblich die Sicherheit im Stadion
erhöhen sollen. Was bislang allerdings einem zahnlosen Papiertiger glich, könnte
alsbald bittere Realität werden: Personalisierte Tickets, KI-gestützte
Sicherheitsmaßnahmen rund um Spieltage und massenhaft neue Stadionverbote
ohne Unschuldsvermutung könnten die Folge sein!
Anfang Dezember soll die Schaffung einer bundesweiten Stadionverbotskommission
beschlossen werden. Zusätzlich zu den standortgebundenen SV-Kommissionen soll
diese Institution die Vergabe des ohnehin rechtsstaatlich höchst fragwürdigen
Sanktionsmittels „Stadionverbot“ überwachen. Rücknahmen und vorzeitige
Aufhebungen der Stadionverbote durch die SV-Kommissionen der einzelnen
Standorte könnten zukünftig von oben herab untersagt werden. Hierbei wird die
Expertise der Vereine, die mit den Vorgängen rund um ihre (Heim-)spiele vertraut sind
und lokale Situationen definitiv besser einordnen können als eine zentrale Stelle,
bewusst umgangen. Zudem sollen Vereine, die sich nicht an die Vorgaben der
zentralen Stadionverbotskommission halten, zukünftig durch die Sportgerichtsbarkeit
sanktioniert werden.
Unklar bleibt zunächst, ob auch eine direkte SV-Vergabe im Repertoire des neuen
Monsters von Verbänden und Politik liegen soll. Ebenso wenig ist über die mögliche
personelle Zusammensetzung bekannt. Man stelle sich vor, die Schreihälse aus
Innenministerien und Repressionsorganen wie der Polizei wären Teil dieses Gremiums
– es würde wohl nicht lange dauern, bis Stadionverbote nach dem Gießkannenprinzip
verteilt würden – massenhafte Überwachung und Personalienfeststellungen durch
Festsetzung ganzer Personengruppen inklusive. Gleiches gilt für die angedachte
Praxis, bis spätestens sechs Wochen nach der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens
(wohlgemerkt: keiner Verurteilung!) ein Stadionverbot zu prüfen. Wie oft derartige
„Prüfungen“ dann in einem SV münden, könnt ihr euch sicherlich vorstellen. Besonders
eklatant ist hierbei, dass aus einer Soll-Formulierung nun eine Muss-Vorschrift werden
soll. Jedes eingeleitete Strafverfahren, was sich bekanntermaßen in sehr vielen Fällen
aufgrund Unsinnigkeit nach einer Weile im Sande verläuft, wäre gleichbedeutend mit
einem sofortigen Stadionverbot für den Betroffenen!
Neben der neuen Praxis für Stadionverbote fordern Hardliner aus der Politik und der
Polizei weitere Einschnitte in den Stadionalltag. Ein Szenario besteht aus
flächendeckenden personalisierten Tickets sowie Gesichtsscannern. Dabei stellen wir
nicht nur die Umsetzbarkeit und Sinnhaftigkeit infrage, sondern erkennen auch einen
klaren Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht aller Stadionbesucher.
Wenn alle Fans am Einlass auch noch das letzte Stück Freiheit für den Besuch
unseres Volkssports abgeben müssen, steht das im krassen Widerspruch zu unseren
Vorstellungen und entbehrt jeglicher Verhältnismäßigkeit.
Natürlich findet auch das omnipräsente Thema Pyrotechnik seinen Platz in den
Fantasien der Politiker und Behörden. Während die Fanszenen im ganzen Land im
Rahmen der „Verbandsstrafen abschaffen“-Kampagne seit geraumer Zeit konstruktive
Vorschläge liefern und ohne populistisch vorzupreschen sinnvolle Dialoge mit Vereinen
und Verbänden zu Pyrotechnik initiieren, verschließen Politik und Polizei die Augen vor
der Realität der reifen und in den Stadien vollumfänglich positiv bewerteten Nutzung
von Pyrotechnik der Fanszenen. Mit einer Null-Toleranz-Linie sowie Gleichsetzung von
Pyrotechnik mit Gewalt und Bedrohung zeigt die Gegenseite eindrucksvoll, dass
jegliches Verständnis für Fankultur fehlt.
Die deutschen Stadien sind sichere Orte – das belegen sämtliche Statistiken der
Behörden selbst wie etwa der im Oktober 2025 veröffentlichte Jahresbericht der
Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS). Wofür also eine neue
Stadionverbotskommission benötigt wird, die die Kompetenzen der örtlichen
Sicherheitsträger definitiv einschränken soll, bleibt höchst fragwürdig. Statt sich
weiterhin repressiven Maßnahmen zu verschreiben, braucht es Konzepte, die das
Sicherheitsrisiko für uns Stadiongänger tatsächlich verringern.
Wir fordern daher:
1. Minimierung der Polizeieinsätze
Die größte Gefahr in den deutschen Stadien
bleiben unberechenbare Einheiten der Bereitschaftspolizei. Statt sich über
Kostenumlagen auf die Vereine Gedanken zu machen, sollten die Innenministerien die
vollkommen maßlosen Einsatzzeiten ihrer Bediensteten reduzieren.
2. Aussetzung des Präventivinstruments „Stadionverbot“
Eine zentrale
Stadionverbotskommission sowie die zwanghafte Vergabe eines Stadionverbots nach
Einleitung eines Ermittlungsverfahrens darf es unter keinen Umständen geben!
Generell stellen wir uns klar gegen das Präventivinstrument Stadionverbot. Anstatt
junge Menschen aus den Stadien auszusperren, sollten sich Verbände und Politik für
rechtsstaatlich verbindliche und pädagogisch wertvolle Maßnahmen bei tatsächlich
vorliegenden Straftaten im Fußballkontext einsetzen.
3. Überwachungskosten reduzieren
Statt den Vereinen immer teurere
Überwachungssysteme unter dem Deckmantel der Stadionsicherheit aufzuzwingen,
sollten die Gelder in die Nachwuchsarbeit, die Infrastruktur der Stadien und die Arbeit
von Fanprojekten investiert werden.
4. Anerkennung des Mehrwerts der deutschen Kurven
Anstatt mit der Forderung
der Personalisierung aller Eintrittskarten jeden Stadiongänger unter Generalverdacht
zu stellen, sollte auch die Politik die Fankultur hierzulande als Alleinstellungsmerkmal
des Fußballs anerkennen! Auch die Nutzung von Pyrotechnik sollte endlich ihre
berechtigte Akzeptanz finden!
Uns ist bewusst, dass auch wir die Uhren nicht zurückdrehen werden. Häufig wurden
hart erkämpfte Freiheiten nur kurze Zeit später zum Wohle des Populismus einiger
weniger wieder eingeschränkt. Doch seid euch gewiss: Sollten sich die Gerüchte
erhärten, werden wir uns zum Wohle aller Stadionbesucher für das Fußballstadion als
Ort der Freiheit einsetzen und für die Werte unseres Fußballs einstehen!
Die Fanszenen Deutschlands im November 2025
